Analyse eines Namens
Beim Betreten dieses Pavillons formulierst du sonder Zweifel die Frage, die dich seit langem umtrieb: ”Was heisst eigentlich ”AARNESCHT”?” Man wird dir antworten, dieser Flurname sei recht eigenartig, ja sogar etwas fremdartig, genau wie Klima, Flora und Fauna, die du dort vorfinden wirst.
Wir versuchen, das Problem der Etymologie von AARNESCHT so anzugehen: Wir fragen: Gibt es irgendwo im Lande nochmal ein analoges Landschaftsbild? Oder ist die AARNESCHT schlechthin einmalig?
Manch einer hatte das geglaubt; bis jemand erinnerte: Bei Lauterborn, an der Straße Luxemburg-Scheidgen, erhebt sich eine felsige, bewaldete Koppe. Sie heißt HARNECH. Verblüffend die Ähnlichkeit mit AARNESCHT, in Topographie und Toponymie!
Und doch: Harnisch, die deutsche Form von HARNECH, ist ein terminus technicus der Geologie, und bezeichnet eine bestimmte Felsformation. AARNESCHT hat aber keine Felsen (mehr?) aufzuweisen…
Könnte denn nicht ein Dokument mit einer früheren Schreibart des Namens AARNESCHT uns seine Bedeutung näherbringen? Zum Datum 1633 finden wir: ”an der ARENEST”. Wir unterstreichen das erste E, das sich zwischen R und N eingestellt hat. Es scheint kaum gewichtig, wird sich jedoch als fundamental erweisen.
Die Lautgruppen ”RN”, bzw. ”REN” und ”RM”, bzw. ”REM” können Hochsprache und Mundart gegeneinander abgrenzen. Bsp.: von ferne — vu fären; gerne — gären; hindern — hënneren; arm — arem; Wurm- Wurem
Man wird schlussfolgern dürfen: Der Schreiber von 1633 gab in seiner Orthographie den Namen wieder, wie er ihn gehört hatte. Die ursprüngliche Form ARENEST wurde irgendwann, dem Usus der Kartographie entsprechend, eingedeutscht zu AARNESCHT. In dieser ”gehobenen Hochsprachenform” bringt das heutige Sagen und Schreiben den Namen.
Die Deutung von ARENEST suchte und fand man im Gewässernamen ERNZ, und man stellte diesen, ausgehend von ARANZIA, zu den Dörfern ERNZEN (Weiße Ernz), und ERNSTER (Schwarze Ernz) (Erste Nennung von ERNSTER um 1200: ERENZE). Ob die Initiale ”A”, oder einer der Ablaute ”AE” oder ”E” ist, scheint unwesentlich.
Einer Ortschaft den Namen des Gewässers zu geben, an dessen Ufer oder wenigstens in dessen Bereich sie liegt, ist verständlich. Bsp.: Syren, Ouren, Attert, Wiltz, Maastricht. Das gilt auch für die Anhöhen. Es ist genau so natürlich, den Namen des Wasserlaufs in den Namen der Ortschaft einzufügen. (Beispiele: Saarbrücken, Vielsalm, Salmrohr, Kandersteg, Cambridge).
Jedoch scheint es bedenklich, weiter entfernte Dörfer und Fluren etymologisch jenem Bereich zuzuordnen. Was der Fall ist bei ERNZEN (Echternach), ERENZ (Wintersdorf), ”hanner AREND” (Rosport), ”ARENS-BERG” (Eifel), in Hostert, wo der Platz des heutigen Spielfeldes früher ”ERENZ” geheißen haben soll (so die Auskunft von Herrn Jängy Bintener, beigesteuert von Herrn André Hildgen) und auch, so meinen wir, bei AARNESCHT! Die Topographie sieht die genannten als höchste Punkte einer meist bewaldeten Bergkuppe (außer Ernzen).
Die Deutung des Namens also wäre unsers Erachtens nicht in der Hydrographie, sondern in der Orographie zu suchen. Allerdings hat erstere eine gewichtige Feststellung beigesteuert: Alle Wasser der AARNESCHT fliessen zur Syr hin; keines zur nahen ERNZ.
Bleibt ein Wort zum Suffix ‑scht. Es wird in unserer Landessprache sehr häufig gebraucht, und zwar je nach Region, in einer der drei Formen: ”-st”, ”-cht”, ”-scht”.
Wir halten fest: Die heutige Sprech- und Schreibform AARNESCHT weist zwei gegensätzliche Tendenzen auf: Einerseits die Tendenz zum Hochsprachigen: Fehlen des ”parasitischen E”.
Andererseits die Tendenz zum Mundartlichen: das Suffix ”-escht”.
Vielleicht erklärt sich so der flüchtige Eindruck von einer gewissen Fremdartigkeit.
Zum Abschluss der Versuch, den Namen der AARNESCHT zusammenfassend zu definieren: ”Hochsprachig wie mundartlich leicht verformte Bezeichnung der Koppe eines Berges in Insellage”.
Die Aarnescht ist der Prototyp einer kleinen Anzahl von inselartigen Bergen, die im Süden des Landes verstreut sind. Mit ihren nach Süden der Sonne zugewandten Hängen, gestatten sie dem interessierten Spaziergänger bei einem fast südländischen Klima eine fremdartige Flora und Fauna entdecken und schätzen zu lernen — und ein kundiger Naturfreund zu werden.
E. Steinmetzer