Die Geschichte des Obstanbaus
“Die Obstwiesen zu Senningen waren für die Kleinbauern zwei Generationen lang eine richtige Goldgrube.” Diese einleitenden Worte in einer Broschüre aus dem Jahr 1984 geben die große wirtschaftliche Bedeutung des Obstanbaus treffend wieder.
Der Obstanbau, der durch die Römer in unsere Gegenden gebracht und im Mittelalter in den Klöstern kultiviert wurde, erlebte im 19. Jahrhundert seinen absoluten Höhepunkt. Auch in Senningen wurden Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts große Obstwiesen angelegt, teilweise durch Arbeitslose, die nach der Schließung der Senninger Papiermühle ihre Arbeit verloren hatten. Mussten die Senninger Bauern anfänglich ihr Obst noch mit Pferdekarren zum Markt in der nahe gelegenen Hauptstadt Luxemburg bringen, stand nach dem Bau der Eisenbahnlinie “Charly” Anfang des 20. Jahrhunderts eine bequeme Zugverbindung zur Verfügung.
Das Senninger Obst wurde auch im Ausland geschätzt. Im 1. Weltkrieg kaufte die deutsche Armee Äpfel, Pflaumen und Birnen auf, ließ sie in Roodt/Syr auf die Eisenbahn verladen und nach Deutschland bringen.
Nach dem 2. Weltkrieg nahm die Bedeutung des Obstbaus dann rapide ab. 1902, zur Blütezeit des Obstanbaus, wurden in den Dörfern Senningen, Senningerberg, Oberanven und Niederanven zusammen noch über 27.000 Obstbäume gezählt. Im Jahre 1992 standen in der gesamten Gemeinde Niederanven nur noch 7.121, von denen ca. zwei Drittel bereits überaltert waren.
Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig. Umstrukturierungen in der Landwirtschaft, der Preisverfall für einheimisches Obst, die Umwandlung von Obstwiesen in Bauland oder Veränderungen im Konsumverhalten gehören sicherlich zu den wichtigsten.
In den letzten Jahren wurden verstärkt Anstrengungen unternommen, dem Rückgang der Obstwiesen Einhalt zu gebieten. Vom Staat werden Subsidien für die Anlage von Obstwiesen gezahlt, für die SIAS-Gemeinden Niederanven, Schüttringen, Contern, Sandweiler und Weiler-la-Tour wurde ein Anpflanzungsprogramm erstellt. Den Besitzern von Obstwiesen werden vermehrt Baumpflegekurse angeboten.
Obstsorten und Kulturformen
Im Senninger Obstanbau wurden fast immer einheimische Sorten verwendet, die resistent gegen Krankheiten sind und nur einen geringen Pflegeaufwand erfordern. Dazu zählen bei den Äpfeln z.B. der Rambour, der Luxemburger Triumph, der Klarapfel, die Luxemburger Renette oder der Boskoop, bei den Birnen die Pastorenbirne oder die Luxemburger Mostbirne. Daneben wurden Kirschen, Pflaumen und Zwetschgen angepflanzt.
Lëtzebuerger Renette | Hauszwetschge | Lëtzebuerger Mostbir |
Die Einführung fremder Sorten und Kreuzungen hat sich nicht bewährt, da die Bäume zu anfällig gegenüber Krankheiten waren. Die Bäume werden als Hochstämme kultiviert, welche die Landschaft bereichern, nicht gespritzt werden müssen und vitaminreiches Obst liefern.
Die Bedeutung der Obstwiesen
Obstwiesen bilden einen wichtigen Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Sie umgeben unsere Dörfer und bereichern das Landschaftsbild zu allen Jahreszeiten. Darüber hinaus liefern sie wertvolle Früchte und bilden wichtige Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen.
Als halboffene Lebensräume kommen in ihnen sowohl Arten aus dem Wald als auch Arten aus dem offenen Land vor. Besonders reich ist die Artenvielfalt bei den Vögeln, mit z.B. dem Wendehals, dem Steinkauz, dem Wiedehopf oder dem Grünspecht, die überwiegend in den Obstwiesen anzutreffen sind.
Da in den Obstwiesen so gut wie nie gedüngt oder gespritzt wird, gibt es hier noch viele Tiere und Pflanzen, die aus der übrigen Kulturlandschaft fast verschwunden sind. Sie sind deshalb sehr wertvolle Rückzugsräume für unsere bedrohte Tier- und Pflanzenwelt.
Wendehals | Grünspecht | Steinkauz |
Charakteristische Tierarten der Obstwiesen